Vogel - Wurm

Was ist ein subjektiver Feierabend?

Von Götz Paschen

Sie haben viel zu tun? Die Frage ist, wann tun Sie es? Und die zweite Frage: Gibt es eine Möglichkeit, dass es Ihnen bei gleichem Zeitvolumen weniger vorkommt? Also konkret: Wie können Sie sich selbst einen vormachen? Einen vormachen, dass es erträglich viel erscheint, obwohl es mehr als das ist. - ‚Der frühe Vogel fängt den Wurm.‘ Großer Blödsinn. Morgens stören einen bei der Arbeit nicht so viele. Das stimmt. Vor acht Uhr ruft selten einer an. Abends nach sechs aber auch nicht. Ob Sie jetzt von morgens acht bis abends acht arbeiten, oder von morgens sechs bis abends sechs macht zeitlich keinen Unterschied. Wie, so lange arbeiten? Ja, elf Stunden, eine Stunde Pause habe ich abgezogen. Und ja, manche Leute haben so viel um die Ohren, dass elf Stunden am Tag nicht unrealistisch sind. Nicht nur Geschäftsführer. Auch Mütter mit drei Kindern und einer Halbtagsstelle, Menschen, die jemanden neben dem Beruf pflegen müssen … Egal, wie auch immer: Es soll sich gut oder mindestens erträglich anfühlen. Wie geht das?

Subjektivität
Wer normal seine acht Stunden abreißt, ist als Büromensch von acht bis fünf dabei und mit Fahrweg von morgens sieben bis abends sechs aus dem Haus. Handwerker zeitversetzt entsprechend früher. Überstunden mal außen vor. Wer mehr als die acht Stunden ran muss, verpasst den Feierabend. Es sei denn, er startet früher. Wer früh (6 bis 6) startet, schafft gleichviel (wie 8 bis 8), hat aber abends ein normales Feierabendgefühl. Man fängt also vor der Masse an, hört aber mit ihr auf. Sie sind früher am Schreibtisch, an der Werkbank, an der ersten Waschmaschine, bei der Pflegevorbereitung. Sie haben aber gleichfrüh Feierabend wie der Rest.

Feierabend
Was bedeutet Feierabend? Feierabend ist die Zeit, in der: Normale Menschen sich auf dem Heimweg noch Antipasti kaufen, oder generell etwas Nettes. Also nicht das Muss-Einkaufen, sondern das Darf-Einkaufen. Feierabend ist auch dann, wenn Sie nochmal irgendwo bei Freunden auf einen Sprung hängen bleiben. Oder sich mit einem Buch unterwegs hinsetzen und 20 Minuten lesen. Das Feierabendgefühl entsteht in der Zwischenzeit von Arbeitsschluss bis Abendessen. Oft kommt hinter dem Abendessen kein großes Programm mehr. Feierabend ist Freiheitsgefühl ohne Plan für die nächste halbe Stunde. Oder Sie freuen sich auf Ihre Sportskollegen oder den Yogakurs. Das ist auch Feierabend. Ader die Geschichten fangen alle schon bis acht Uhr abends an. Dann, wenn Sie gerade als Acht-Uhr-Starter und Langmacher das Büro oder den Bagger abschließen oder die letzte Waschmaschine aufhängen.

Abgrenzen
Wenn Sie Ihr Bett saugemütlich und schön zu frühstücken wichtig finden, ist das nichts für Sie. Dann haben Sie das Freiheitsgefühl nicht am Feierabend, sondern hoffentlich am gemütlichen Morgen. Hauptsache, Sie nehmen das auch so wahr. Sonst haben Sie den subjektiven Eindruck, Sie hätten den ganzen Tag gearbeitet. Und davor und danach waren nur Schlafen, Frühstück – Abendessen und Schlafen. Ein Problem ist ein dauerhaftes Schlafdefizit. Das entsteht, wenn man so viel schafft, dass der Tag eigentlich voll ist und man sich die Freizeit dann noch obendrauf legt. Sie schlafen dauernd nur von zwölf bis fünf oder halb sechs. Und Sie wundern sich, warum Sie immer so kaputt sind. Es ist also wichtig, nicht vor dem Wecker anzufangen, wenn Sie dann nicht auch entsprechend früher einschlafen. Wer morgens den Scheiß wegarbeitet, hat abends frühzeitig Feierabend.

Geil?
Klingt diszipliniert und ungeil. Zeitlich übersichtliche Berufe, bezahlt man oft mit geringerer Freiheit. Und freiere Berufe bezahlt man oft mit Zeit. Es sei denn, Sie sparen sich diverse Statussymbole, haben eine sparsame Familie und zwei Verdiener. Dann mag es auch anders gehen. - Aber: Wenn Armut immer im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt der gleichen Lebenszone gesehen wird. Dann: Wird Zeitarmut subjektiv auch am Feierabendtermin der Restbevölkerung gemessen. Da könnte der Trick mit dem Frühstart helfen.

Torftipp: Ausprobieren.