20 Jahre Torfkurier, der Film






Material abschmelzen

Oder Material aufbauen.

Text: Götz Paschen

Was mich stört, ist wenn Leute ungeniert und undankbar Material abschmelzen: Vorhandenes vernichten und Reserven verheizen. Schlicht für ihr eigenes bequemes Leben. Regenwälder abholzen für kurzfristigen Profit und Geld in schlecht geführten Staatskassen. Öffentliche Meinung rüde brutalisieren und Sprachkultur demontieren für Wählerstimmenfang. Vorgärten planieren, pflastern und versiegeln für überflüssige Parkplätze auf dem Grundstück. Erbmasse aufbrauchen und verleben, anstatt mit ihr sinnvoll gestaltend in die Welt einzugreifen. Polkappen abschmelzen, anstelle einer langfristigen Klimapolitik. Soziale Sicherungssystem der Erosion preisgeben als Ausgleich für politische Misswirtschaft.

Konstruktiv
Aufzubauen ist grenzenlos viel aufwändiger als einzureißen. Materielle und immaterielle Errungenschaften abzuschmelzen / zu zerstören, dauert nur Sekunden: Eine Beleidigung, ein Totalschaden, eine Ohrfeige. Substanz aufzubauen, dauert ungleich länger, gerade auch immaterielle: Vertrauen, Frieden, Demokratie … Von der Sandburg bis zur Europäischen Gemeinschaft, aufbauen kostet mehr Kraft als demolieren. Wobei viele gute Konstruktionen oft sehr viel robuster sind, als wir befürchtet hätten. Eine gute Idee überlebt viele rabiate Einwirkungen. Aber muss das sein?

Abschmelzen
Da baut ein fleißiger Großvater Wohlstand auf mit der Perspektive, den in der Familie weiterzutragen und gleichzeitig gemeinnützig zu wirken. Und die lachenden Erben verheizen diese Lebensleistung und seine Vitalität ohne eine Idee und Perspektive. – Volle Konten für die eigene Brut / Genetik zu erzeugen, ist per se noch kein sinnstiftender Akt. Das ist Stammhirn. Meist wird beim Erzeugen von Geldmengen an anderer Stelle brutal abgebaut: Umwelt, Fairness, Sozialgefüge … Alle politischen Despoten hatten am Ende ihrer Karriere dreistellige Millionenbeträge an Dollar bis hin zu Milliarden an die Seite geschafft. Mit einigen Ausnahmen, die dagegen erheblich mehr Tote bis in die Millionen in ihrer Regierungsschneise hinterließen. Bei Menschenleben ist der Begriff Material abschmelzen unangebracht. Aber wie viel mehr Zeit kostet es, 1.000 Knirpse vorlesend, fütternd und tröstend großzuziehen, als sie als Bataillon an der Front zu verheizen.

Große Gesten
Schwache Geister ergehen sich gern in großen Gesten: Wenig denken, dünne Strategie, aber ausgiebig schwadronieren. Wenn Landespolitiker Rettungstöpfe präsentieren, könnte ich kotzen. Was haben Tausende gerackert, um das Steueraufkommen zu erwirtschaften, das hier einer gönnerhaft präsentiert. Sobald die Geste groß ist, sind meist Materialabschmelzer am Werk. Nichtskönner. Schwachstrategen. Charakterdürre Hanswurste und auch Hanswurstinnen.

Schwächlinge
Wer nichts kann, baut nichts auf. Riskiert nichts. Fällt selten auf die Nase. Muss sich nicht ständig wieder aufrappeln. Grübelt über keiner Idee. Lässt keine Federn. Reißt keine Mauern ein. Zaubert nicht an Lösungen herum, die es eigentlich nicht gibt. Hat diese hässliche Fratze, wenn man ihm etwas nimmt. – Wer nichts kann, räumt ab. Wenn es sich gerade lohnt. Wenn was da ist. Scannt Situationen lange, bevor er seine wenige Energie einsetzt, um viel zu holen. Steht für nichts grade. Gehört nie zum Widerstand. Macht das Maul nicht auf, wenn es ihm dafür poliert werden könnte. Schmilzt ab, wo es nur geht. Dass man als Leistungsstarker gut beraten ist, den Schwachen rechtzeitig zu identifizieren, bevor man von seinem Energieloch ausgenommen wird. Abgrenzung! Also gilt es, Abschmelzer zu identifizieren, zu benennen und markiert auf Abstellgleise zu stellen. Auf denen ihr mampfender und pupsender Restschaden ein Minimum an Volumen annimmt. Bei gleichzeitig humanitär vertretbaren Lebensumständen. Und je nach Gier mit harten oder zarten Bandagen.

Torftipp: Mehr aufbauen als abschmelzen und trotzdem immateriell viel genießen.