20 Jahre Torfkurier, der Film






Wem hilft Mitleid?

Oder: Warum ich davon nichts halte.

Text: Götz Paschen

Wem hilft Mitleid? Nach dem Motto: ‚Du siehst erkältet aus. Geht es dir nicht gut?‘ Wen stärkt das? Wer erkältet ist, weiß das selber. Ich bin der Ansicht, es schwächt. – Es fragt einen ja nur selten einer: ‚Du siehst erkältet aus. Soll ich dir einen Tee machen?‘ Der stärkt immerhin. Das wäre im Prinzip die seltene Direktkombination: Problem erkannt, Lösung eingeleitet.

Stärkung
Es gibt vieles, was man an seinen Mitmenschen feststellen kann, was sie wesentlich weiter bringt als Mitleid: ‚Du siehst heute gut aus.‘ ‚Du bist so geduldig.‘ ‚Du bist auch erkältet noch voll am Ball.‘ … Warum nicht unterstützen? – Viele Wortbeiträge sind schlichtweg sinnlos und verzichtbar. Dazu gehört Mitleid. Wenn jemand leidet, braucht er Unterstützung und kein Gerede. Wenn ich Mitgefühl habe, muss ich das nicht verbalisieren? Dann weiß ich, was ihm fehlt und kann das ungefragt liefern. Was mir gefiel: Einer macht sich mit einer Geschäftsidee selbstständig. Ein Kumpel produziert einen Heckscheibenaufkleber von der Firma und klebt sich den in sein eigenes Auto. Zum Geburtstag und danach fährt er für den anderen Werbung spazieren. – Wahrnehmen. Mund halten. Machen!

Banalität
Wenn Ihnen die armen Flüchtlinge in Griechenland leidtun: Flüchtlingshilfe raussuchen, Online-Banking anschalten, Geld überweisen. Und wenn es nur zwanzig Euro sind. Oder ein Fünfer als Schüler. Das ist mehr als Mitleid. Am erkenntnisreichen Nicht-Handeln krankt unsere Welt. Oder: Wenn Sie die Welt durch digitale Überwachung gefährdet sehen, melden Sie sich bei Facebook ab. Das ist ein demokratiegefährdender Konzern. Da kann ein überzeugter Demokrat kein Mitglied sein. Aber: ‚Wenn ich mich bei Facebook abmelde, habe ich Probleme bei der Wohnungssuche. Das geht da so schön einfach.‘ Dann leiht man sich für die zwei Wochen Wohnungssuche die Zugangsdaten von einem Freund. Dann hat man immer noch selber kein Konto dort. Jeder weniger ist besser.

Reine Lehre
‚Das ist nicht die reine Lehre, dann nutz man es ja doch ...‘ Na logisch. Aber es fehlt ein Kunde, und die Nutzung ist auf zweimal 14 Tage im Jahr beschränkt. Besser als 365 Tage Datenkrake. Ich bin erklärter Handygegner und nutze wöchentlich einmal das Handy meiner Freundin und indirekt vermutlich noch zweimal öfter. Immerhin ein Gerät weniger produziert. Da kann jeder Purist rumkrakeelen, wie er will. Für mein Handy steigt kein Minderjähriger ohne Sicherheitsausrüstung im Kongo in eine Coltanmine, weil ich keins habe. Und mit dem Rohstoff wird kein Bürgerkriegt finanziert. Wer 100 % will, kann praktisch und theoretisch nur scheitern. Ein hoher Anspruch dient meist nur als Rechtfertigung für Inaktivität. Neue Möglichkeiten ergeben sich aber erst im Handeln.

Gelaber
Gelaber hilft nicht. Wenn es einem dreckig geht, helfen Sie ihm. Und sparen Sie sich künftig folgende Sätze: ‚Du siehst aber blass aus.‘ ‚Du bist aber alt geworden.‘ ‚Du hast aber zugenommen.‘ ‚Ihr guckt aber viel Fernsehen.‘ … Das ist doch alles Bullenscheiße! Was zählt ist: Aufmuntern. In Bewegung bringen. Mitnehmen. Für Amüsement sorgen. Gemeinsame Spaziergänge. Spiel statt Medien. Hinfahren, besuchen, Kuchen mitbringen. – ‚Kuchen ist nicht gut. Da wird man fett von.‘ Egal, ich habe noch keinen gesehen, der sich von seinem Unglück verabschiedet hat und nicht gleichzeitig auch körperlich aktiver geworden ist. Dann bringen Sie eben statt Kuchen geschnittene Äpfel oder Möhren und Pflaumen mit. Herrgott nochmal! – Mich widern Einwände an. Ist so. Da kann (und will) ich nichts dran ändern. Die bremsen spontane Impulse. Erstmal was Gutes machen. Besser ist nicht schlecht, aber überhaupt ist entscheidend.

Schlusssatz
Alles, was ich bisher in meinem Leben gemacht habe, haben andere schon besser gemacht, aber das interessiert mich überhaupt nicht. – Erich Kästner sagte: ‚Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.‘ Dass der grandiose Kinderbuchautor als Vater nicht entsprechend brilliert hat, schadet dem Wahrheitsgehalt des Zitates in keiner Weise.

Torftipp: Mitgefühl und (!) machen.