Kalkül oder Nächstenliebe
Kommentar zur Flüchtlingspolitik.
Text: Götz Paschen
Uganda steht auf Rang drei weltweit, wenn es darum geht, wer die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Ein Akt christlicher Nächstenliebe? Die müssten wir Erdogan, dem türkischen Präsidenten, dann auch unterstellen. Die Türkei steht auf Platz eins mit über drei Millionen Flüchtlingen. Deutschland auf Platz fünf. Lupenrein ist die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik auch nicht. Bei der Betrachtung der Aufnahmepolitik gibt es zwei Sichtweisen: die pragmatisch humanitäre und die strategisch politische.
PragmatikEs interessiert einen Flüchtling erst einmal nicht, mit welchem Hintergedanken ihm Unterschlupf und Sicherheit in einem fremden Land gewährt werden. Stimmen die Bedingungen einigermaßen, ist er in Sicherheit. Wer um sein Leben bangt, fragt nicht nach Details. Entsprechend sehen es die Nichtregierungsorganisationen (NRO) und die Vereinten Nationen (UN). Zuerst müssen Länder bereit sein, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Menschen sollen aus der Schusslinie. Dabei spielen Kompromisse eine Rolle. Das wirtschaftliche und politische Kalkül der Türkei ist in der Presse viel diskutiert worden. Über Uganda liest man wenig.
MuseveniDas ugandische Staatsoberhaupt Präsident Yoweri Kaguta Museveni ist ein Stratege erster Güte. In ärmlichen Verhältnissen von Viehhirten geboren, studierte er Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaften in Tansania und den USA. Ihn zieren Details, die bei Demokraten Stirnrunzeln erzeugen: 33 Jahre im Amt, dritte Amtszeit nach einer entsprechenden Verfassungsänderung, einen Wahlkonkurrenten inhaftiert … Museveni gründete und kommandierte fünf Jahre lang die ‚National Resistance Army‘, die als Rebellengruppe das ugandische Regime bekämpfte. Er hat drei ugandische Präsidenten gestürzt: Idi Amin, Milton Obote und Tito Okello. In seine Amtszeiten fallen bewaffnete Konflikte mit den Nachbarländern Sudan, Ruanda und dem Kongo und die Niederschlagung der Rebellion der ‚Lord’s Resistance Army‘, ein Bürgerkrieg mit 500.000 Toten und 800.000 Vertriebenen.
EngagementAls geschickt könnte man das Konzept bezeichnen, jedem Flüchtling ein kleines Stück Boden als Lebensgrundlage zur Verfügung zu stellen. Die Flüchtlinge erhalten nicht die fruchtbarsten Flächen Ugandas. Weitere wirtschaftliche Zuwendungen vom Staat gibt es keine. Die NRO und die UN versuchen mit vereinten Kräften Infrastruktur, wie Straßen, Bodenfruchtbarkeit und alle weiteren Elemente gesunden Überlebens herzustellen. Uganda bietet dem Ausland die Möglichkeit, auf seinem Territorium humanitäre Hilfe zu leisten. Nicht mehr und nicht weniger. Humanitäre Hilfe ist gleichzeitig ein Wirtschaftsfaktor, der ein Land belebt. Die Mitarbeiter der Organisationen vor Ort nicht minder. Kritisch ist, dass Teile der eingesetzten Mittel beim ugandischen Staat und in Korruptionskanälen versickern. Aber es feiern auch deutsche Hochschulen Sommerbälle mit Steuermitteln aus dem Hochschulpakt. Nicht schön, aber nicht zwingend nur afrikatypisch. Kritischer ist da schon, dass in den Flüchtlingslagern entwaffnete Rebellen aus den Nachbarländern Unterschlupf finden, mit denen im Zweifelsfall von dort aus ‚Politik‘ gemacht werden kann. Museveni ist keiner, dem Waffengewalt als politisches Mittel fremd ist.
Und nun?Die Thematik Südsudan will konkretes Handeln. Konkretes Handeln hat immer auch Randvorteile für Dritte neben den Betroffenen. Uganda ist vergleichsweise stabil. Wenn Sie einen Solarkocher spenden, verbiegt der nicht in 14 Tagen unter der Walze eines bewaffneten Konfliktes. Das Klima, die Natur und die Flüchtlinge vor Ort interessiert nicht, was ein Museveni für politische Vorteile von gelingender Flüchtlingspolitik hat. Die wollen überleben und kochen. Jeder Baum, der nicht zu Feuerholz wird, rettet Afrikas und unser Klima. So sieht das ganz konkret aus. Nur schlaues Gerede hilft keinem. Wie Sie es drehen: Eine kinderglückliche Optimallösung wird es in einer erwachsenen Welt auch hier nicht geben.
Torftipp: Kritisch hinschauen und großherzig bleiben.